Pater Brendan Carr glaubt an eine harmonische Weltgemeinschaft und mehr Gerechtigkeit zwischen Nord und Süd. Er vertritt die Organisation „Barmherzigkeit“ als Priester des irischen Spiritaner-Ordens (Congregatio Sancti Spiritus) und leidenschaftlicher Anhänger der Ökumene. Seit über 300 Jahren hat sein Orden den Auftrag, sich um die Armen und Ausgegrenzten in aller Welt zu kümmern. Dafür arbeitet Pater Brendan Carr sowohl mit kirchlichen Einrichtungen sämtlicher Konfessionen als auch mit nichtkirchlichen zusammen.
Für eine bessere Welt darf kein Mensch ausgegrenzt werden – unabhängig von Rasse, Herkunft oder Religion!
Ich sehe mich als „Errichter von Brücken“, als Hersteller von Beziehungen, als Europäer, der die Verbindung zwischen dem „reichen Norden“ und dem „armen Süden“ verbessern möchte. Die Völker des globalen Südens sind zwar arm, haben aber ein großes Potenzial. Ich glaube, dass durch eine gute menschliche und gemeinschaftliche Entwicklung, vor allem in den Bereichen Bildung, Gesundheit und Landwirtschaft, ein gerechteres Gleichgewicht mit den entwickelten Ländern erreicht werden kann und zu einer harmonischeren Weltgemeinschaft führt. Die wichtigste Voraussetzung für eine solche Hoffnung ist das Vertrauen ineinander und in unsere gemeinsamen Werte.
Mit Vertrauen und Hoffnung: Um diese Werte aufzubauen, reise ich in viele Länder des „Globalen Südens“. Zusammen mit meinen Kollegen und Kolleginnen berate ich Missionen und Einrichtungen vor Ort. Gemeinsam setzen wir Entwicklungsprogramme auf. Natürlich arbeiten wir dabei viel mit unseren Ordens-Schwestern und -Brüdern des Spiritaner-Ordens zusammen. Doch wir verfügen auch über ein großes Netzwerk verschiedener nichtkirchlicher Einrichtungen in Afrika, die fest in den lokalen Strukturen der afrikanischen Gemeinschaft eingebunden sind.
Der Fokus meiner Arbeit:
Eine besondere Bedeutung haben für mich Ausbildungsprogramme für Mädchen und junge Frauen (beispielsweise in Süd-Sudan). Sie haben einen großen Einfluss auf die Versorgungslage, Harmonie, Wohlbefinden und vor allem die finanzielle Situation einer ganzen Gemeinschaft. Denn Frauen in Schlüsselpositionen verändern die männerdominierte Kultur in Afrika und sind das beste Mittel, um eine Region langfristig zum Besseren zu entwickeln.
Die wichtigste Lektion, die ich im Laufe der Jahre gelernt habe, ist die Bedeutung der kulturellen Unterschiede. Ich sage immer: "Kultur ist der Schlüssel zum Verständnis." Denn die Ursache für das Verhalten von Menschen ist oft in ihrer Kultur verwurzelt. Nehmen Sie zum Beispiel Afrika: Warum werden immer noch so viele junge Mädchen beschnitten? Warum werden junge Mädchen immer noch so oft zwangsverheiratet? Es sind die schlechten Elemente einer Kultur, die oft für die Verletzung der Menschenrechte verantwortlich sind. Hier muss an Veränderung gearbeitet werden.
Die Entwicklung eines Landes und die Verbesserung der Situation für die Menschen wird oft nur durch einen Kulturwandel erreicht. Auch die Kultur in unseren entwickelten Ländern muss mit dem gleichen Maß an Menschenrechten in Frage gestellt werden. Der Westen hat jahrhundertelang Menschen und Ressourcen des globalen Südens für seine eigene Gier ausgebeutet. Viele Länder der entwickelten Welt beuten arbeitende Familien aus und ignorieren die Rechte von Migranten und Flüchtlingen. Mächtige Interessen manipulieren Märkte, Banken und Landbesitz, um ihren eigenen Reichtum und ihre Macht zu erhalten.
Es ist also sehr wichtig, dass nicht nur die afrikanische Kultur in Frage gestellt werden muss. Jede Kultur muss in Frage gestellt werden, wenn es um die Verletzung von Menschenrechten geht.
Viele Menschen, vor allem in den Krisengebieten des "Globalen Südens", sind von schweren Krisen und steigenden Kosten betroffen. Wir, die wir mehr Glück im Leben haben, sind in der Lage, unser Wissen und unseren Wohlstand zu teilen, um den Armen und Bedürftigen vor Ort in ihrem Umfeld zu helfen.
Schon als 25-jähriger junger Priesteramtskandidat lernte ich die Not in Afrika kennen. Damals, von 1977 bis 1979, kam ich als Novize in eine Spiritaner-Mission in Sierra Leone. Hier leistete ich wichtige Bildungsarbeit und unterrichtete in der kleinen örtlichen Schule.
Schon damals wurde mir klar, wie wichtig es ist, den Menschen nicht nur zu helfen, sondern sie auch zur Selbständigkeit zu erziehen. Deshalb habe ich schon damals begonnen, den Menschen dort zu zeigen, wie sie Projekte organisieren und ihre Ressourcen besser nutzen können.
Als ich später nach Angola ging, wo ein brutaler Bürgerkrieg herrschte, lernte ich etwas über Nothilfe und wie man die Hilfe für eine große Zahl von Vertriebenen organisiert. Zu dieser Zeit lernte ich auch, wie man mit NROs und Geldgebern zusammenarbeitet.
Während des schrecklichen Bürgerkriegs in Angola war ich im Rahmen einer Mission vor Ort. Wegen des Krieges gab es viele Verletzte, die nicht medizinisch versorgt werden konnten. Ich wollte den Menschen helfen, aber ich hatte kein Fahrzeug und brauchte Geld, um Medikamente und Verbandsmaterial zu kaufen. Also bat ich meinen Mitbruder Pater Patrick Leonard um Unterstützung. Er leitete zu dieser Zeit den World Mercy Fund in Irland. Er sprang ein, und ich konnte zahlreichen Kriegsopfern helfen und sie versorgen.
Viele Jahre später, als ich aus Afrika in mein Kloster in Dublin zurückkehrte, wurde ich von Pater Michael Reynolds gefragt, ob ich beim World Mercy Fund mitarbeiten wolle. Ich begann, bei der Beantwortung der wachsenden Zahl von Hilfsprojekten mitzuarbeiten und ich brachte die dringend benötigte Hilfe direkt zu den Bedürftigen rund um die Spiritaner-Missionen in Afrika. Dabei war es mir immer wichtig, die Bedürftigkeit der Hilfsempfänger kritisch zu prüfen und die Verwendung der Spendengelder genau zu kontrollieren und professionell zu verwalten.
Als Reynolds 2018 zurücktrat, übernahm ich seine Rolle und wurde Direktor des World Mercy Fund in Irland. Gleichzeitig begann ich, die Organisation auch im deutschsprachigen Raum zu vertreten.
Meine Rolle hier ist nicht die eines Geschäftsführers, sondern die eines Fürsprechers und Motivators. Die Leitung der Organisation liegt bei den ausgezeichneten Verwaltungs- und Managementteams in Österreich, Deutschland und der Schweiz, die vom Sekretariat und der Geschäftsstelle in Dublin, Irland, tatkräftig unterstützt werden. Ich sitze jedoch im Vorstand und bin in der Lage, zusammen mit der Leitung und der Verwaltung einen guten Beitrag zur Richtung und zu den Werten der Organisation zu leisten.
Die Kirche ist ein wirksamer Akteur, um Veränderung und Entwicklung zu bewirken. Das liegt an der Struktur der Kirche mit ihrem Netzwerk von Gemeinden, in denen Menschen vor Ort in den am meisten benachteiligten Gebieten der Welt leben. Sie verfügen über ein Kommunikationsnetz. Sie haben Zugang zu Gemeinschaften, die ihnen vertrauen. Und sie sind in ihrer Arbeitsweise sehr effektiv, da sie über ein System der Freiwilligenarbeit mit einem guten Kosten-Nutzen-Verhältnis verfügen. Dies steht häufig im Gegensatz zu staatlicher Hilfe, die oft von korrupten Behörden gelenkt wird und an den Bedürfnissen der Menschen vorbeigeht.
Welche Vorteile hat die kirchliche Hilfe aus meiner Sicht?
Diese Vorteile gelten für alle Kirchen aller Konfessionen. Deshalb verstehe ich mich als Vertreter der ökumenischen Bewegung. Ich arbeite mit allen Konfessionen zusammen, die sich für die Ausgegrenzten in der Welt einsetzen.
Das Gespräch mit Pater Brendan Carr führte Benedikt Opitsch, zuständig für Marketing und Kommunikation bei WMF Barmherzigkeit e. V.
Vielen Dank für Ihre Barmherzigkeit! Ihre großzügigen Spenden sind unersetzbar für die Hilfe armer, bedürftiger Menschen in aller Welt!